Lyrische Gedichte

strandfrühling
Klaus Urban

sieh:
der verstand blüht
als stranddistel
und widersteht
in den dünen dem wind

 

ja oder der grosse garten *
Klaus Urban

an der puttenecke
schnell befriedigt
wird die notdurft
kaltgestellt
ist der frühling
heute noch geschlossen
sucht die sehnsucht
in erwartung der tropfen
höhlt die steine
tief im herzen dort
erfüllt das grüne labyrinth
doch keinen zweck
hat das nachdenken
über
den philosophentempel
links liegen gelassen
bleibt flüchtig der kuß
doch lobe die muse
hoch bis zum achteck
wirbelt empor uns
die große fontäne
schaun wir von oben
auf barocke gedanken
von kalkweißer körperlust
über fachmännisch gebürsteter
flora stiefmütterlich überall
die kiesel erstarrt
und die goldenen
statuen werden stets pünktlich
erschossen
denn siehe:
kann kultur denn sünde sein?

* Zum Barockgarten Herrenhausen, Hannover

 

dichterschicksal
Klaus Urban, 1990

vor fünfzehn jahren schrieb
ich mein kürzestes gedicht
deutschland
traum her
grenze hin
nun ist die grenze hin und
ich suche meinen traum

 

im juni '90 in gommern/ddr
Klaus Urban, 15.06.1990

auch in Gommern
ist das graue leben
aufgewacht gestern
ein solarium verspricht
gar urlaubsbräune denen
die sich ibiza noch nicht
leisten können
und die zigarettenreklame
jubelt genau dies:
go west!versteckt noch
hinter blinden scheiben
doch wuchernd lockt
aktuell & tiptop
der videoshopnur
trotzig und alt
hinfällig und frisch
wie eh und je
an jedem rain
auf jedem schutt und haufen
- wächst schon gras drüber -
stehen nostalgisch
leuchtend und wehend
im wind die roten armeen
des mohn